Bounce Rate – Mehr als nur eine Zahl: Bedeutung, Ursachen und Praxisbeispiele
Die Bounce Rate (Absprungrate) ist eine der bekanntesten Kennzahlen im Online-Marketing und Web-Analytics. Sie gibt den Prozentsatz der Besucher an, die eine Website nach dem Aufruf einer einzigen Seite wieder verlassen, ohne eine weitere Aktion auszuführen. Eine solche Aktion kann z. B. ein Klick auf einen Link, das Scrollen bis zu einem bestimmten Abschnitt der Seite oder das Ausfüllen eines Formulars sein – abhängig von der Definition der Interaktion.
Technische Definition der Bounce Rate
Die Bounce Rate wird wie folgt berechnet:
Bounce Rate (%) = (Anzahl der Absprünge / Anzahl der Sitzungen) × 100
Absprung (Bounce) = Eine Sitzung, bei der der User nur eine einzige Seite besucht hat und keine weitere Interaktion mit der Website stattgefunden hat.
In der Praxis bedeutet das, wenn 100 Nutzer auf eine Webseite kommen und 40 davon ohne weitere Aktion wieder gehen, beträgt die Bounce Rate 40 %.
Je nach verwendetem Analytics-Tool (z. B. Google Analytics 4) kann die Definition von „Interaktion“ variieren. Google Analytics 4 unterscheidet hier zwischen einer „engaged session“ (also einer Sitzung, die mindestens 10 Sekunden dauert oder eine bestimmte Aktion auslöst) und einem klassischen „Bounce“, der in früheren Versionen einfach als „1-Seiten-Sitzung“ definiert war.
Was bedeutet eine hohe Bounce Rate?
Eine hohe Bounce Rate (z. B. über 70 %) kann auf unterschiedliche Probleme hindeuten:
- Relevanzproblem: Der Nutzer hat nicht das gefunden, was er gesucht hat (falsche Keywords, falsche Erwartung durch Werbeversprechen, irreführender Titel oder Meta-Beschreibung).
- Usability-Problem: Die Seite lädt zu langsam, das Design ist unübersichtlich oder die Navigation verwirrt den Nutzer.
- Content-Problem: Die Inhalte der Seite sind nicht relevant oder zu allgemein gehalten.
- Technisches Problem: Es gibt Ladeprobleme (Server-Fehler, JavaScript-Fehler) oder bestimmte Elemente der Seite werden nicht korrekt angezeigt.
Eine niedrige Bounce Rate (z. B. unter 30 %) ist dagegen nicht automatisch „gut“. Es kann auch sein, dass der Tracking-Code fehlerhaft ist und doppelt feuert – oder dass die Definition einer Interaktion zu großzügig ist (z. B. wird jeder Scroll als Interaktion gewertet).
Technische Erfassung der Bounce Rate
Moderne Tools wie Google Analytics 4 (GA4) verfolgen die Bounce Rate nicht mehr als eigenständige Metrik, sondern als Teil der „Engagement Rate“. Eine Session gilt als „engaged“, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
- Der User bleibt länger als 10 Sekunden auf der Seite.
- Der User interagiert mit der Seite (z. B. Scroll, Klicks, Video-Play).
- Der User besucht mehr als eine Seite.
Die „klassische“ Bounce Rate, wie sie früher definiert war, ist jedoch weiterhin im GTM oder anderen Tools wie Matomo oder Piwik Pro verfügbar. Hier feuert das Analytics-Skript direkt bei Pageview und endet die Sitzung, wenn keine weiteren Interaktionen erfasst werden.
Zwei Praxisbeispiele (Use Cases) für die Bounce Rate
Case 1: E-Commerce-Shop
Problem:
Ein E-Commerce-Shop bemerkt, dass die Produktdetailseiten eine sehr hohe Bounce Rate (80 %) aufweisen.
Analyse:
- Der Shop zieht viele Besucher über Google Shopping Ads an.
- Nutzer landen direkt auf der Produktseite, interagieren aber nicht weiter.
Mögliche Ursachen:
- Das Produktbild wird zu langsam geladen oder ist unattraktiv.
- Die Versandkosten oder Lieferzeiten sind nicht sichtbar, was die Nutzer frustriert.
- Ein technischer Fehler sorgt dafür, dass der „In den Warenkorb“-Button nicht angezeigt wird.
Technische Lösung:
- Tracking-Check durchführen: Sicherstellen, dass der „Add-to-Cart“-Button korrekt mit einem GA4-Event verknüpft ist.
- Page Speed optimieren: Ladegeschwindigkeit verbessern, z. B. durch Bildkomprimierung (WebP-Format) oder die Nutzung eines Content Delivery Networks (CDN).
- User-Feedback einholen: Über Hotjar oder Session Recordings die Interaktion der Nutzer auf der Seite analysieren.
Maßnahmen zur Optimierung:
- Überarbeiten der Call-to-Action (z. B. farblich auffälligerer Button).
- Versand- und Lieferinformationen auf der Produktseite direkt sichtbar machen.
- Alternativprodukte oder „Ähnliche Produkte“-Widgets einblenden, um den Nutzer länger auf der Seite zu halten.
Case 2: Content-Website (Blog)
Problem:
Eine Blog-Seite verzeichnet eine Bounce Rate von 90 %, was den Website-Betreiber besorgt.
Analyse:
- Die Besucher kommen hauptsächlich über organische Google-Suche.
- Die Nutzer landen auf dem Blog-Artikel, lesen ihn, aber verlassen die Seite danach sofort.
Mögliche Ursachen:
- Besucher sind zufrieden mit den Inhalten, da sie direkt die benötigte Antwort finden.
- Scroll-Tracking fehlt, daher wird der Besuch als „Absprung“ gewertet, obwohl die Nutzer den Artikel gelesen haben.
- Die Inhalte sind für den Nutzer zu gut – die Frage wurde so gut beantwortet, dass er keine weitere Interaktion benötigt.
Technische Lösung:
- Scroll-Tracking einbauen: Im Google Tag Manager (GTM) ein Scroll-Tracking-Tag hinzufügen, das 25 %, 50 % und 100 % Scrolling als GA4-Event erfasst.
- Time-on-page-Tracking: Eine Custom-Variable im GTM erstellen, die misst, ob der Nutzer länger als 30 Sekunden auf der Seite verweilt. Ein Event wie
time_spent_30swird dabei an GA4 übergeben. - Content Recommendations: Mit Hilfe von Widgets wie „Verwandte Artikel“ oder „Das könnte dich auch interessieren“ Nutzer zum Verweilen einladen.
Maßnahmen zur Optimierung:
- Interne Verlinkung verstärken, damit Nutzer auf weitere Artikel klicken.
- Am Ende des Artikels eine Call-to-Action (CTA) (z. B. „Lies mehr zum Thema“) einfügen.
- Quiz oder interaktive Inhalte einfügen, die den Nutzer zur Interaktion verleiten.
Profi-Tipps zur Optimierung der Bounce Rate
- Events im Google Tag Manager (GTM) hinzufügen: Über den GTM können Interaktionen, wie das Scrollen oder Klicken auf Buttons, als GA4-Events erfasst werden. Dies reduziert die klassische Bounce Rate, da jetzt Interaktionen erkannt werden.
- Time-on-page-Trigger: Vermeide „falsche Bounces“, indem ein Timer-Trigger im GTM eingerichtet wird, der nach 30 Sekunden feuert und so eine Sitzung als „aktiv“ markiert.
- Content Design anpassen: Große Textblöcke zerschneiden, Absätze kürzen und mit Bildern, Videos oder Listen auflockern.
- Server Speed verbessern: Ladezeiten sind ein Hauptgrund für Absprünge. Nutze Tools wie PageSpeed Insights oder GTmetrix, um die Probleme zu identifizieren.
- Mobile First Ansatz: Viele Bounces passieren auf Mobilgeräten. Sorge dafür, dass die Mobile User Experience (UX) optimal ist (schnelles Laden, klares Design, einfacher Checkout-Prozess).
- UTM-Parameter prüfen: Falsche Kampagnenlinks können Nutzer zu unpassenden Landingpages führen. Überprüfe, ob die UTM-Tags korrekt gesetzt sind.
Fazit
Die Bounce Rate ist eine wertvolle Metrik, aber sie sollte immer im Kontext betrachtet werden. Eine hohe Bounce Rate ist nicht immer schlecht, vor allem, wenn die Besucher finden, was sie suchen (z. B. auf einem Blog). In E-Commerce-Shops hingegen ist eine hohe Bounce Rate meist ein Problem. Technisch kann man die Absprungrate beeinflussen, indem man Events für Scroll-Tracking, Time-on-page-Events oder interaktive Inhalte einführt. Tools wie Google Tag Manager (GTM) und Google Analytics 4 (GA4) helfen dabei, eine genaue Analyse durchzuführen und falsche Bounces zu erkennen.
Pro-Tipp: Verwende die „Engagement Rate“ aus GA4 anstelle der klassischen Bounce Rate. Sie berücksichtigt auch die Sitzungsdauer und Interaktionen.